Alltagsvorstellungen und chemische Erklärungskonzepte
Steffensky, M., Parchmann, I., & Schmidt, S.
Ein wichtiges Forschungsgebiet in der Fachdidaktik sind Erklärungskonzepte und Vorstellungen, die Schüler zu grundlegenden Konzepten oder Phänomenen der Chemie haben oder entwickeln. Manche dieser Vorstellungen stimmen nicht mit den fachlichen Erklärungskonzepten überein, z. B. die Übertragung makroskopischer Eigenschaften wie Farbe auf submikroskopische Teilchen. Häufig greifen Schüler auch nach dem Chemieunterricht auf ihre ursprünglichen Erklärungen zurück. Der Beitrag stellt expemplarisch Alltagskonzepte und deren mögliche Ursachen zu grundlegenden Konzepten der Chemie dar.
Die Chemie des Luftballons
Roth, K.
Kautschuk, ein klebriges Naturprodukt, von den brasilianischen Indios entdeckt, von Kolumbus bestaunt, erlangte erst durch Goodyears Vulkanisation praktische Bedeutung. Der Luftballon ist bestimmt nicht das wichtigste Produkt auf Kautschukbasis, aber vielleicht das Schönste. In einem modernen Luftballon mit seinem geringen Gewicht, seiner schönen Farbe, seiner gesundheitlichen Unbedenklichkeit und natürlich und vor allem mit seiner unglaublichen Elastizität spiegelt sich der Fleiß und Einfallsreichtum von vielen Generationen von Wissenschaftlern und Ingenieuren der Chemischen Industrie wider. Wenn wir also zum Höhepunkt eines Kindergeburtstages Luftballons zum Aufblasen in den Mund nehmen und durch Lungenkraft über ein Schwefelbrücken verknüpfte Polyisoprenketten recken und strecken, dann können wir auf dieses wunderbare Produkt stolz sein. Warum wir stolz sind, das wollen wir unseren Kindern erzählen - und den Moment genießen.
Neue Verpackungsmittel für Lebensmittel
Stubenrauch, C.
Neue Verpackungsmaterialien für Lebensmittel zu entwickeln, ist nach wie vor eine große Herausforderung. Zu unterscheiden ist hierbei zwischen a) der Optimierung von Materialeigenschaften, b) der Einführung "aktiver und intelligenter Materialien" und c) neuen Design- und Präsentationstechniken. Im ersten Fall werden Struktur-Eigenschafts-Beziehungen genutzt, um Stoffe mit passendem Eigenschaftsprofil zu finden. Von besonderer Wichtigkeit sind hier Verbundstoffe, die die typischen mechanischen und physikalischen Eigenschaften ihrer Bestandteile vereinigen. Veranschaulicht wird dies am Beispiel der braunen PET-Flasche für Bier, in welcher die guten mechanischen Eigenschaften des PET mit der geringen Gasdurchlässigkeit von EVOH oder PA kombiniert werden. Nicht vergessen werden darf jedoch, dass bei Verbundstoffen die Möglichkeit zum Recyclen nicht automatisch gegeben ist und die Umweltbilanz neuer Materialien jeweils geprüft werden muss. Dagegen versteht man unter "aktiven Verpackungen" solche, die durch die gezielte Beeinflussung der Atmosphäre in der Packung die Qualität eines Lebensmittels erhalten. So kann es sinnvoll sein, durch Binden von Sauerstoff, Kohlendioxid oder Wasser, durch Ausscheiden von CO2 oder Ethanol sowie durch antimikrobielle Substanzen Reaktionen zu verlangsamen oder zu verhindern. Dass es auch möglich ist, Verpackungen ein "Eigenleben" zu geben, wird im letzten Teil des Beitrags erläutert. Hier handelt es sich um Verpackungen, die erst nach Aktivierung durch den Verbraucher "etwas tun" wie sich z. B. selbst erwärmen oder abkühlen.
Tropon - wider die Fleischnot
Krätz, O.
Die 1897 gegründeten Tropon-Werke nutzten Abfallfleisch aus Schlachthöfen zur Gewinnung von Eiweißprodukten. Dieser günstige Fleischersatz war insbesondere für die Eiweißversorgung der unteren sozialen Schichten von Interesse. Tropon-Eiweißpräparate wurden noch bis in die 70er Jahre des 20. Jahrhunderts hergestellt, doch wandelte sich die Firma im Laufe der Zeit zu einem rein pharmazeutischen Unternehmen. Die Tropon-Werke, zeitweilig eine Tochter der Bayer, bestehen noch heute.
Rastertunnel-Mikroskopie an chiralen Molekülen
Böhringer, M., Berndt, R., & Schneider, W.
Im Rastertunnelmikroskop (RTM) können Atome und Moleküle auf Oberflächen direkt abgebildet und gezielt manipuliert werden. Damit ermöglicht das RTM eine Chemie auf Nanometerskala basierend auf Experimenten an Einzelmolekülen. Am Beispiel des 1-Nitronaphtalin beschreiben wir Elemente einer Stereochemie an Einzelmolekülen. 1-Nitronaphtalin nimmt bei Adsorption auf der Au(111) Oberfläche eine chirale Konfiguration an. Hochaufgelöste RTM-Bilder spiegeln die asymmetrische elektronische Struktur der Moleküle wider und ermöglichen die Bestimmung der absoluten Konfiguration jedes einzelnen Moleküls in komplexen Überstrukturen. Auf diese Weise lassen sich stereochemische Phänomene wie strukturelle Übergänge von chiralen in achirale Phasen unmittelbar beobachten. Schließlich zeigen wir, dass chirale Strukturen mit dem RTM auch gezielt manipuliert werden können und trennen eine racemische Mischung chiraler 1-Nitronaphtalin-Aggregate in die enantiomerenreinen Komponenten.
Organische Leuchtdioden
Hertel, D., Müller, C., & Meerholz, K.
Der vorliegende Artikel beschreibt den aktuellen Stand der Erforschung und Anwendung organischer Festkörper in Leuchtdioden. Im Fokus stehen dabei konjugierte Polymere als aktive Komponenten. Es werden wesentliche Grundlagen zur elektronischen Struktur von organischen Materialien erläutert, die zum Verständnis der Funktionsweise organischer Leuchtdioden hilfreich sind, bevor Herstellungsaspekte, Materialentwicklung und Bauteilgestaltung dargelegt werden.
Das Sinnloseste: der Zitronensäurezyklus
Roth, K.
Der Zitronensäurezyklus beherrscht unseren Stoffwechsel; ohne ihn könnten wir unsere Nahrung nicht abbauen und Energie gewinnen, ohne ihn könnten wir keine körpereigenen Verbindungen wie Proteine, Hormone, Fette und Glucose herstellen. Mit einem kleinen, hochtoxischen Molekül, dem Fluoracetat, können wir den Zitronensäurezyklus zum Stillstand bringen. Studien an Labortieren und Erfahrungen mit Nutztieren, die FA-haltige Pflanzen aufgenommen haben, zeigen eindrucksvoll, was wir ohne den Zitronensäurezyklus wären: Nichts! Uns verbliebe nur noch eine kurze, qualvolle Zeit bis zum Tod durch Herz- oder Atemstillstand. Machen wir uns also den Zitronensäurezyklus bewusst und hoffen, dass er noch lange in uns rotieren möge. Executive Summary für Dr. Westerwelle (der Artikel entstand auf Westerwelles Statement im ARD Morgenmagazin vom 4. Juli 2002, dass der Zitronensäurezyklus das Sinnloseste sei, was er je gelernt habe): Ohne Zitronensäurezyklus können Sauerstoff atmende Lebewesen nicht leben, von der Mikrobe bis zum Menschen! Zehntausende Chemiker, Human-, Veterinär- und Zahnmediziner, Biochemiker, Agronomen, Pharmazeuten, Physiologen, Ernährungswissenschaftler, Zoologen, Forstwissenschaftler, Limnologen, Botaniker, Molekularbiologen, Agrarwissenschaftler, Biotechnologen, Brauer, Lebensmitteltechnologen etc., etc. erlernen nicht nur den Zitronensäurezyklus, sonden wenden dieses Wissen auch zu Ihrem Wohl an. Darüber sollten Sie froh sein.
Beschichtungen contra Graffiti
Borchard-Tuch, C.
Ob Graffiti Kunst oder Vandalismus sind, ist heftig umstritten. Unabhängig davon sind sie für die Betroffenen jedoch zumeist höchst ärgerlich, denn Graffiti zu entfernen ist fast immer kostpielig und aufwändig und gelingt oft nur unvollständig. Mit Schutzsystemen lassen sich Graffiti-Attacken zwar nicht völlig vereiteln, die Schäden aber stark vermindern.
Es ist nicht alles Gold, was glänzt
Schwedt, G.
Das "Goldmachen", das Verzinken von Kupfermünzen aus natronalkalischer Lösung mit Zinkpulver und anschließender Bildung einer Messingschicht durch Erhitzen, zählt zu den "Kabinettstücken", den Schauexperimenten und zu den Experimenten aus der "Trickkiste der Chemie". In keinem der aufgeführten Bücher sind jedoch Quellen genannt, die sich mit den Mechanismen bzw. der Kinetik des Verzinkens von Kupferstücken (zum "Silber") und der anschließenden Bildung des Messings (zum "Vergolden") beschäftigen. Im Rahmen eines anorganisch-chemischen Fortgeschrittenen-Praktikums wurde dieses bekannte Schauexperiment näher untersucht, wobei sowohl aus alkalischer als auch saurer Lösung eine Verzinkung der kupfernen Centstücke erzielt wurde.
Mechanochemie
Kipp, S., Sepelak, V., & Becker, K.
Die Mechanochemie zeichnet sich durch eine enorme Vielfalt potenzieller Einsatzgebiete aus. Die Standard-Synthese-Verfahren der Festkörperchemie erfordern oftmals hohe Temperaturen oder Drücke, definierte Gasatmosphären sowie spezielle Eduktbeschaffenheiten. In der Mechanochemie benötigt man dagegen lediglich eine hinreichend leistungsfähige Kugelmühle mit Zubehör. So können viele chemische Reaktionen auf nichtthermischen, die Umwelt weniger belastenden Weg durchgeführt werden.